FH-Architekturstudierende präsentieren Vorschläge für Entwicklung des ehemaligen Wasserschlosses
Erlach. Adventuregolf im Schlossgraben, Bouldern oder Schlemmen statt Beten und Singen in der jetzigen Schlosskapelle, Co-Working-Retreat oder Kindergarten statt Wohnungen im Obergeschoss – die Studentinnen und Studenten des Projektseminars „Bauen im Bestand und Tragwerke“ der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt machten kreative Vorschläge, wie man das ehemalige Wasserschloss in Erlach denkmalverträglich entwickeln kann.
In einer gut besetzten Schlosskapelle in Erlach präsentierten elf Gruppen mit je vier bis fünf Architekturstudierenden ihre Konzepte für das alte Gemäuer vor Vertretern der Diözese, der Stadt, sowie den zahlreich erschienen Erlacher Bürgern. „Das Schloss ist die Seele unseres Dorfs,“ betonte Ortssprecher Tilo Hemmert in seiner Begrüßung im Namen der katholischen Pfarrgemeinde. Seit zehn Jahren diskutiere der Ort über die Zukunft des Schlosses, das sich im Besitz der katholischen Kirchenstiftung befindet. Die Pfarrgemeinde freue sich daher sehr über neue Impulse von außen.
Zu Beginn des Sommersemesters erarbeiteten die Studierenden der FHWS gemeinsam mit den Professoren Karl Zankl und Dr. Matthias Wieser bei mehreren Ortsterminen in Erlach zunächst die Grundlagen: Schlossgraben und Schloss wurden vom Keller bis zur Turmspitze auf Zentimeter genau vermessen. Mit Hilfe dendrochronologischer Untersuchungen wurde das Alter des Dachstuhls bestimmt und die Bauzeit konnte auf die Jahre 1690 für das Schloss und 1239 für den Turm eingegrenzt werden.
Unter der Erlacher Bevölkerung wurde eine Umfrage durchgeführt, um die Wünsche der Bevölkerung für ihre Dorfmitte zu ermitteln. Auf diesen Ergebnissen aufbauend war Kreativität gefragt: wie können die Bedürfnisse der Gemeinde einerseits und die wertvolle und schützenswerte Bausubstanz andererseits unter einen Hut gebracht werden? Auch die bestehenden Tragstrukturen müssen berücksichtigt werden, deren statischen Grundlagen von Professor Dr. Christoph Müller de Vries vermittelt wurden. Er bestätigte dem historischen Bauwerk mit dem beindruckenden Dachstuhl von 1690 eine solide Statik.
Ein Café war bei fast allen Planungen im Erdgeschoss zu finden. Drei Gruppen gingen sogar darüber hinaus und präsentierten größere gastronomische Betriebe – von der Edelgastronomie bis zu gut bürgerlicher Küche. „Restaurant zum Wasserschloss“, „Schlemmerschloss“ oder „Wine & Dine“ lauteten die klingenden Namen, die samt Logo vorgestellt wurden.
In ihren Planungen gingen die Studenten davon aus, dass zukünftig die Simultankirche in Erlach wieder entsprechend ihrer ursprünglichen Bestimmung von beiden Konfessionen genutzt wird und die Schlosskapelle in diesem Falle profaniert und neu, mit nichtsakraler Nutzung belegt werden kann. Der beeindruckende Kirchenraum blieb in allen Vorschlägen in ihrer Form im Wesentlichen erhalten. Lediglich der in den zwanziger Jahren eingebaute Chorbogen wurde bei den Vorschlägen entfernt, um den derzeit zugemauerten historischen Erker wieder zugänglich zu machen und zusätzlich Licht in den Raum zu bringen. Die Barrierefreiheit für den großen Saal wurde meist über eine außenliegende Rampe und einem zusätzlichen Zugang vom Schlossgraben in die ehemalige Kapelle hergestellt. Funktionell könnte nun ein Konzertsaal, ein Mehrzweckraum, ein Speisesaal oder eben eine Boulderhalle die neue Mitte der Anlage sein.
Im Obergeschoss des Schlosses planten zwei Gruppen einen Kindergarten, da in Erlach großer Bedarf hierfür gesehen wird. Aber auch Wohnungen, eine Physiotherapiepraxis oder eine betreute Jugendwohngruppe konnten sich die angehenden Architekten vorstellen. Am ausgefallensten war sicher der Vorschlag eines Co-Working-Retreat. Hierbei nutzen junge Unternehmen eine gemeinsame Infrastruktur und mieten sich für bestimmte Zeiten in Räumen ein. Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Startups bietet vor allem für kreative Berufe ein inspirierendes Umfeld. Fast alle Gruppen schlugen vor, die Räume im Erdgeschoss und Hochparterre barrierefrei zu erschließen. Auffällig dabei war, dass nur eine Planung einen Aufzug für das Obergeschoss enthielt.
Der Turm, datiert auf das Jahr 1239, war für alle Gruppen eine große Herausforderung und wurde meist als Aussichtsturm mit innenliegender Wendeltreppe geplant. Den historischen Dachstuhl von 1690 dagegen wollten alle in seiner jetzigen Form erhalten.
Im Schlossgraben spielte das Thema Wasser bei einigen Gruppen eine große Rolle, sei es als Wasserspiel oder Wassergraben im Bereich der Brücke. Auf einem umlaufenden Plateau um das Schloss waren in vielen Entwürfen Terrassen für die Außenbewirtung eines Café geplant. Auch Kinderspielplätze oder Minigolfanlagen wurden im Außenbereich präsentiert.
Ausgehend von der Gestaltung eines zentralen Platzes für Jung und Alt zwischen Schloss und Kirche, der im Rahmen des Gemeindeentwicklungskonzepts vom AK „Erlach erleben“ als Impulsprojekt gewünscht wird, entwickelten zwei Gruppen Vorschläge für einen Mehrgenerationentreff im Schloss, der die neue soziale und räumliche Mitte Erlachs werden sollte.
Fachlich und denkmalpflegerisch begleitet wurde das Seminar wurde von Beginn an von Hans-Christof Haas vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Dieser zeigte sich nach der Präsentation sichtlich erfreut, dass alle Konzepte behutsam und verantwortlich mit der historischen Bausubstanz umgegangen sind. „Alle Vorschläge lassen sich im Wesentlichen umsetzen, auch wenn man über einige Details wie zum Beispiel einen Aussichtsbalkon am Turm durchaus nochmal kritisch reden müsste,“ so Haas.
Während der Umbauphasen zwischen den einzelnen Projektpräsentationen und insbesondere während der Pause und beim Umtrunk nach der Veranstaltung im Schlossgraben, ergaben sich ausführliche Diskussionen mit den Erlacher Bürgern. Diese gaben zu den Ideen ganz praktische Tipps und stellten wichtige Fragen wie zum Beispiel zur Parkplatzsituation im Schlossbereich.
Nach fast vierstündiger Präsentation lobte Professor Zankl die angehenden Architekten für ihre gelungenen Präsentationen. „In einer Viertelstunde haben wir von jeder Gruppe nur einen kleinen Teil ihrer wochenlangen und intensiven Arbeit am Projekt gesehen,“ so Zankl. Das hochaktuelle Thema Energie und Wärmeversorgung und die prognostizierten Baukosten dieser großen Anlage konnte im Vortrag nur gestreift werden. In den Ausarbeitungen müssen sich die Studierenden sich mit diesem Aspekt tiefer beschäftigen.
Bürgermeister Peter Juks wies zu Beginn in seinem Grußwort auf die Bedeutung der Veranstaltung für die Stadt Ochsenfurt hin, was sich durch die Anwesenheit seiner beiden Stellvertreter Rosa Behon und Tilo Hemmert, sowie der Stadträte Felix von Zobel und Jan Kohlhepp zeige. Die Umsetzung der Vorschläge sei sicher herausfordernd und es müssten dabei viele „dicke Bretter gebohrt werden“.
Tilo Hemmert