Stromtrasse durch Erlacher Flur?

Informationsveranstaltung zu Suedlink

Erlach. Funktioniert mein Kompass noch, wenn ich in der Nähe der Stromkabel von Suedlink wandere? Viele Fragen bewegten die Anwesenden bei der Veranstaltung „Energiewende in Erlach: Suedlink – Stromautobahn durch unsere Flur?“, zu der der Bürger- und Gartenbauvereins Erlach in den Gemeinschaftsraum im Feuerwehrhaus eingeladen hatte.

Die Kernenergie lieferte im Jahr 2014 noch 48% der elektrischen Energie, die in Bayern benötigt wurde. „Bis 2023 muss diese Energie vollständig ersetzt werden“, erläuterte Physiklehrer Tilo Hemmert anhand von statistischen Daten des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Derzeit gebe es ein Überangebot an regenerativen Energien im Norden, vor allem durch den Bau von neuen Windkraftanlagen auf See. Der dort erzeugte Strom soll über zwei neue Gleichstromleitungen in den Süden nach Grafenrheinfeld bzw. Großgartach bei Heilbronn transportiert werden. Jedes Leitungsvorhaben besteht aus zwei ca. 6 m voneinander liegenden Gräben, in denen jeweils zwei Kabel in ca. 2 m Tiefe verlegt werden. Diese sollen für eine Leistung von 2 GW ausgelegt werden, was etwa der Leistung von eineinhalb Kernkraftwerken entspricht. Entlang der Erdkabelstrecke ist eine Schneise von ca. 10m-15m dauerhaft von tiefwurzelnden Pflanzen / Bäumen freizuhalten. Das sogenannte Suedlink-Projekt könnte auch über die Gemarkung von Erlach führen, wie Hemmert an Karten zeigte. So tangiert einer der Planungskorridore den Ochsenfurter Ortsteil und reicht bis an die vorhandene Wohnbebauung heran. Äußerst kritisch sieht Hemmert auch den weiteren Verlauf Richtung Sommerhausen. „Wir haben auf unserer Gemarkung eine Vielzahl von Raumwiderständen von hoher Bedeutung für Mensch und Natur“, betont Hemmert. Er verweist dabei insbesondere auf die geplante Siedlungsentwicklung, Waldflächen, das Ortolangebiet um Erlach und Ochsenfurt, das Naturschutzgebiet „Zeubelrieder Moor“, die Wasserschutzgebiete, Stillgewässer und kleine Biotope. „Eine Trassenführung ohne Einschnitte in Belange des Naturschutzes sowie der Siedlungsentwicklung ist im geplanten Korridor nicht möglich“, ist sich Hemmert sicher.

Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft erläuterte Stefan Michel, 2. Vorsitzender des Bürger- und Gartenbauvereins. War die Gemarkung um Erlach früher ein feuchtes Gebiet, so dass man auch von Erlach an den sieben Seen sprach, gehört sie nach großflächigen Drainagen und Begradigungen von Bachläufen heute zu den trockeneren Gebieten. Die anwesenden Landwirte befürchten bei einer Erdverkabelung in diesem Bereich Ernteausfälle, die durch eine einmalige Entschädigung nicht ausgeglichen werden. Durch den Leitungsbau werde die Kapillarität des Bodens zerstört und durch die Erwärmung des Bodens durch die bis zu 70°C warmen Kabel die Austrocknung zusätzlich gefördert. Aber auch die Auswirkungen auf das sensible Wassersystem bereitet zahlreichen Anwesenden Sorge, so dass hydrogeologische Gutachten gefordert werden, um die Auswirkungen der Kabelverlegung auf den Wasserhaushalt einschätzen zu können. Zudem wurde vorgeschlagen, die Erdkabel entlang vorhandener Feldwege zu verlegen, um den landwirtschaftlichen Flächenverbrauch möglichst gering zu halten.

In Anbetracht der schon vorhandenen 380 kV Hochspannungsleitungen, die weitgehend parallel zur jetzt geplanten Erdverkabelung laufen, stellte sich die Frage, weshalb nicht diese Trasse ausgebaut werden könnte.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Tilo Hemmert ausgehend vom Klimawandel erläutert, wie wichtig die Erreichung des 2°C-Ziels ist, auf das sich die Staaten der Welt im vergangenem Jahr in Paris geeinigt hatten. Bereits heute sei die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um über 1 °C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter angestiegen. Bei einem weiteren Temperaturanstieg wird es immer wahrscheinlicher, dass wichtige Ökosysteme kippen. Selbst bei Erreichung der Klimaziele seien die Korallenriffe heute schon nicht mehr zu retten. Auch die alpinen Gletscher oder das arktische Eis stehen auf der Kippe und könnten im Sommer in Zukunft vollständig abschmelzen. „Selbst wenn wir heute den CO2-Ausstoß auf Null reduzieren, werden noch Jahrhunderte die Meeresspiegel ansteigen, da die Klimasysteme extrem langsam reagieren“, mahnte Hemmert. Daher führe aus seiner Sicht kein Weg an der Energiewende vorbei.